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Reizwort Bürokratie

30.03.2025
Umfragen über Belastungen bei Führungskräften im Feuerwehrwesen führen aktuell regelmäßig zum Ergebnis dass eine überbordende Bürokratie die „Luft zum Atmen“ raube; in der Folge wird eine deutlich spürbare Deregulierung gefordert. Und sicherlich fallen Ihnen beim Lesen dieser Zeilen zahlreiche unsinnige oder zumindest unnötige Regelungen im Feuerwehrwesen ein. „Bürokratie“ ist auch bei der Feuerwehr zum Reizwort geworden.

Haben Sie sich schon einmal überlegt wie Sie „Bürokratie“ definieren? Max Weber definierte Bürokratie Ende des 19. Jahrhunderts unter anderem als System, das durch feste Regeln, eine klare Arbeitsteilung und eine Hierarchie gekennzeichnet ist. Alle Eigenschaften, mit denen sich die Feuerwehr „eigentlich“ gut identifizieren kann. Klare und transparente Strukturen sichern rechtsstaatliche Prozesse und sorgen damit letztlich auch für ein stabiles demokratisches System. Bürokratie ist per se also nichts Negatives; eine überregulierte, aus einem Selbstzweck entstandene Bürokratie ist dies aber schon! Hier muss gelten: So viel wie und nur dort, wo notwendig – und immer so wenig wie möglich. Wir beklagen ein zu viel an Bürokratie und meinen eigentlich eine dem Selbstzweck dienende Überregulierung.

Dabei ist klar, dass eine nicht vorhandene Regelung durch mehr Selbstverantwortung oder Entscheidung im Einzelfall ersetzt werden muss. Und genau an dieser Stelle erkenne ich einen Widerspruch: Einerseits beklagen wir eine überbordende Bürokratisierung und Regulierung; andererseits fordern wir klare Vorgaben „von oben“ ein. Tun wir dies vielleicht auch, um selbst nicht entscheiden zu müssen oder auch um keine Verantwortung für die Folgen einer Entscheidung übernehmen zu müssen? Angst vor Führungsentscheidungen befördert den Selbstzweck zur Bürokratisierung.

Ich meine, dass Bürokratie im Sinne von Überregulierung in vielen Fällen auch im Feuerwehrwesen mehr zum Hindernis verkommt, als sie dem Menschen dient; sie macht Entscheidungsfindung aber sehr „bequem“, da ja geregelt. Überregulierungen schränken unsere Handlungsfähigkeit ein und bergen die Gefahr, dass Regelungen nicht beachtet werden. Das gilt im Feuerwehreinsatz genauso wie für den allgemeinen Dienstbetrieb. Zur Wahrheit gehört zweifelsfrei aber auch, dass sehr viele Regelungen im Feuerwehrwesen von Feuerwehrangehörigen selbst ersonnen werden. Brauchen wir beispielsweise wirklich immer eine Feuerwehr-Dienstvorschrift für jedweden speziellen Tätigkeitsbereich? Ist es zielführend, die Regelungstiefe bei jeder Überarbeitung bestehender Vorschriften zu erhöhen? Gilt nicht auch hier: „Auftragstaktik“ statt „Befehlstaktik“?

Wir haben im Dienstbetrieb klare Strukturen, hoch qualifizierte Führungskräfte und meist bekannte gemeinsame Ziele. Von daher: Wagen wir Entbürokratisierung. Nicht durch Forderungen an „die Anderen“, sondern fassen wir uns an die eigene Nase und fangen wir bei uns selber an. Zeigen wir mehr Mut und Verantwortungsbereitschaft – und da gibt es wohl mehr Möglichkeiten, als wir im ersten Moment vermuten. Ich bin mir sicher, dass wir mit unseren starken und fairen Führungskräften, mit Mannschaften, die der Führung vertrauen, mit Ehrlichkeit und mit mehr Mut beim Entscheiden eine Menge mehr Entscheidungs- und Handlungsspielraum dazugewinnen – ein Spielraum, der uns auch den Weg frei macht für Anpassungen an künftige Herausforderungen. Und wenn wir etwas regeln, gehört zwingend auch die Information dazu, warum wir das so geregelt haben.

Dipl.-Ing
Thomas Egelhaaf (49)
Landesbranddirektor
Innenministerium Baden-Württemberg


Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von BRANDSchutz | Deutsche Feuerwehr-Zeitung | Ausgabe 2025/04 | Editorial | Seite 247